Eine Studie der Friedrich-Ebert Stiftung* untersucht quer durch alle gesellschaftlichen Milieus, welche Wünsche und Forderungen Frauen zwischen 18 und 40 an Partner, Politik und Arbeitgeber richten. Dabei geht es einerseits um Fragen nach Gleichberechtigung, andererseits um die (zeitlichen und weiteren) Bedingungen der Erwerbsarbeit sowie um politische Aspekte. Unter der Leitung von Prof. Dr. Carsten Wippermann wurden dazu die Lebensrealitäten und die familien- und gleichstellungspolitischen Erwartungen von jungen Frauen untersucht. Die Ergebnisse lesen sich zum Teil, wie noch vor zwanzig Jahren.
Retraditionalisierung im Privatleben, Chancenungleichheit im Beruf
Dabei ist vielerlei bemerkenswert. Mir ist vor allem eindrücklich geworden, dass sich junge Frauen durch alle Milieus heute gezwungen sehen, zwischen Familie und Karriere entscheiden zu müssen. Das liegt daran, dass sie beobachten, dass nach der Geburt von Kindern familiäre Rollen retraditionalisiert werden. Wo vor der Geburt eines Kindes beide Partner gearbeitet haben und sich die Aufgaben in Haushalt und Freizeit teilten, wird danach vor allem die Frau zur Verantwortlichen für Familienaufgaben.
Zudem sehen sie, dass noch immer vergleichsweise wenig Frauen in Führungspositionen sind – trotz gleicher Qualifikation und kognitiver Leistungsfähigkeit. Sie beobachten, dass nach wie vor ein pay gap besteht und es wenige Vorbilder gibt, in denen Muttersein und Karriere wirklich gut vereinbar sind.
Entweder gilt als „Rabenmutter“, wer seine Kinder früh in die Kita gibt und oft auf Geschäftsreisen ist (was bei Vätern meist kein Problem darstellt) oder als „Hausmuttchen“, wer es vorzieht, mehrere Jahre zu Hause zu bleiben und für ein geborgenes Aufwachsen daheim zu sorgen. Kein Modell wird gesellschaftlich positiv gewertet – wie soll sich bei jungen Frauen daraus ein positives Rollenbild entwickeln?
Kinderbetreuung
Es besteht Unsicherheit darüber, wie lange es „gut“ ist nach der Geburt zuhause zu bleiben und wie lange das Kind in die Kita gehen sollte oder nicht sollte. Aber eines ist deutlich: im Augenblick sind die Öffnungszeiten von Kitas nicht wirklich an die Bedarfe der Familien angepasst. Dazu gehört es zunächst, dass es genügend kostenfreie Plätze gibt. Ebenfalls müssten Kitas länger und zu anderen Zeiten geöffnet sein – denn für Alleinerziehende oder im Einzelhandel tätige Frauen ist es ganz unmöglich, die Kinder in einer Kita betreuen zu lassen, da diese selten bis 20 Uhr oder am Wochenende geöffnet sind. Für Geschäftsreisende wäre eine Übernachtungsmöglichkeit hilfreich, für Frauen im Schichtdienst auch.
Rechtfertigungsdruck
Und all das ohne sich verteidigen oder rechtfertigen zu müssen – das heißt für fast alle jungen Frauen geht es immer auch um gesellschaftliche Akzeptanz und die beginnt oft in der eigenen Familie. Auch die Ehepartner, eigene Mütter oder Väter neigen heute noch dazu, junge Frauen in traditionelle Rollen zu drängen – meist ist dies nicht einmal böse gemeint. Die Frauen wiederum wünschen sich, ohne Gewissensdruck entscheiden zu können und dafür Unterstützung zu bekommen.
Dazu gehören gute Rahmenbedingungen. Im Blick auf die Arbeit selbst wären neue Modelle wünschenswert: Arbeitszeit-, Tandem- oder Jobsharingmodelle, Flexibilität im Blick auf den Arbeitsort. Fast alle Frauen wünschen sich, weniger Stunden zu arbeiten – als ideal werden 30-35h empfunden. Vielen ist dabei aber auch bewusst, dass Familienzeiten und spätere Teilzeitarbeit sich negativ auf die zu erwartende Rente auswirken. Insofern wird auch hier das Armutsrisiko bewusst abgewogen.
Geschlechtergerechtigkeit
Auch das Thema „Frauen in Führung“ spielt für die große Mehrheit der Frauen eine Rolle. Solange es nicht gelingt, eine Parität herzustellen, obgleich es genug hoch qualifizierte Frauen gibt, so lange bleiben für viele „Gleichberechtigung“ und „Geschlechtergerechtigkeit“ reine Lippenbekenntnisse. Diesem Mangel wird große symbolische Bedeutung zugemessen.
Geschlechtergerechtigkeit ist in allen untersuchten Milieus eine grundlegende, politisch-gesellschaftliche Forderung. Dabei würde sich diese als Erstes in gleicher Bezahlung für gleiche Arbeit zeigen und zweitens in einer Aufhebung der Segregation der Berufe in typisch männlich und typisch weiblich – besonders durch Aufhebung der ungleichen Bezahlung. Auch ist es 97% der Frauen wichtig, dass gemeinsam getroffene Entscheidungen nicht für einen der Partner größere Nachteile mit sich bringen, als für den anderen (z.B. bei der Rente oder auch bei der Möglichkeit des Wiedereinstiegs in eine „gleichwertige berufliche Tätigkeit“). Dies schließt ein, dass Familienarbeit, Betreuung von Familienangehörigen, Haushalt usw. wirklich geteilt werden.
Bedarf nach weiterem gesellschaftlichem Wandel
Viele der Wünsche, die sich auf geschlechtergerechte Zustände richten, sind offenbar ganz alltäglich und wären leicht umsetzbar, andere setzen doch eine deutliche Veränderung gesellschaftlicher Rollenbilder im Berufsleben und politischer Rahmenbedingungen voraus. Viele der Wünsche sind aber gar nicht primär „weiblich“, sondern richten sich explizit auch darauf, dass sowohl Frauen, als auch Männern mehr Zeit für Familie bleibt.
Studie Friedrich-Ebert Stiftung der online http://library.fes.de/pdf-files/dialog/12633.pdf